Vom Gründen und Scheitern

Meine Start-up votingLAB

Um franzidesign war es die letzten zwei Jahre etwas ruhiger geworden. Der Grund dafür war meine abenteuerliche Reise in die Entrepreneurwelt als CEO und Founder 😉 in Deutsch auch Geschäftsführerin und Gründerin von votingLAB ein IT Start-up. In meinen Blogbeitrag “Mein erstes STARTUP” votingLAB (Alpha)“ hatte ich meine ersten Erfahrungen bereits geschildert. Nach genau 12 Monaten Gründungserfahrung an der TU Berlin am Zentrum für Entrepreneurship mit EXIST-Gründerstipendium folgte nach erfolgreichem Pitch und angepasstem Businessplan ein Anschlussstipendium an der Beuth Hochschule in Berlin.

Im Januar 2014 begann die Anschlussfinanzierung, 16 Monate Stipendium an der Gründerwerkstatt der Beuth. Mein Mitgründer Martin war in einer Festanstellung. Somit war meine anfängliche Mission: Einen geeigneten Ersatz für Martin finden, der das Team ergänzt und den fehlenden Posten ersetzen kann. Alle möglichen Kontakte wurden durchsucht und Meetups und Konferenzen, um einen neuen Mitgründer für das Stipendium zu finden. Wie durch ein Wunder entstand ein Kontakt aus meinem Netzwerk, der die Zukunft von votingLAB veränderte. Nach ungefähr einem Monat intensivem Netzwerken bekam ich einen Anruf von Christopher und es folgte ein Bewerbungsgespräch.

Die anfängliche Schockstarre aufgrund der ungünstigen Startbedingungen ohne Mitgründer löste sich langsam und der normale Start-up Alltag begann. Nach einem Monat Einarbeitungszeit und alten Kundenaufträgen begannen wir im Mai 2014 mit der eigentlichen Entwicklung. Das alte Konzept der Entscheidungsplattform wurde komplett überarbeitet und wir entschieden aufgrund unserer Analyse votingLAB, als Feedback App weiterzuentwickeln.
In nur wenigen Monaten hatten wir es geschafft zu zweit votingLAB komplett mobil auszurichten.

Anfang 2015 war votingLAB als App für Android und iOS (iPhone) im App Store erhältlich. Leider blieb der große finanzielle Erfolg aus und wir entschieden uns 2018 votingLAB aus den App Store zu entfernen.

Laut Statistik kann man grob sagen, dass es nur ein Start-up von zehn schafft und wir ganz klar zu den gescheiterten dazuzählen. Die Gründe für das Scheitern sind vielfältig und oft gibt es nicht „den“ einen Grund, sondern eine Kombination aus verschiedenen ungünstigen Faktoren. In meiner Zeit als Gründerin habe ich unendlich viele Erfahrungen gesammelt, die ich nicht missen möchte.

Meine Learnings zusammengefasst:

Learning 1: Der Markt und das Alleinstellungsmerkmal

Ein tolles Team und eine tolle Idee reichen noch lange nicht aus, wenn kein geeigneter Markt vorhanden ist. In unserem Fall sind die beiden Monopolisten YELP (früher Qype) und Foursquare an uns vorbeigezogen, denn die schönste Idee ist vor Nachahmung nicht sicher. Wir hatten unendlich viele Ideen, doch leider waren wir oft zu langsam aufgrund fehlender Manpower. Wir haben uns von Anfang an viel zu klein fokussiert, denn ein Netzwerk nur europaweit zu denken, ist einer der größten Fehlentscheidungen, die man begehen kann.

Learning 2: Das Team

70 % der Start-ups scheitern schon am Team, zu dem ich mich statistisch auch dazu zählen kann. Bei meinem ersten Start-up wecide an der TU Berlin musste ich diese bittere Erfahrung erleben. Fehlendes Vertrauen, Machtgehabe und das fehlende Übertragen von Verantwortung machten es unmöglich ein Unternehmen aufzubauen. Aber auch fehlende Kompetenzen im Team sind oft Indikatoren – technisches Know-hows allein reicht nicht aus.

Learning 3: Unausgereiftes Geschäftsmodell und fehlende Skalierbarkeit

Am Anfang ist man voller Euphorie und schiebt geeignete Modelle und Strategien für Einnahmen vor sich hin. Werbeeinblendungen sind ein schönes Zusatzgeschäft, aber sollte man diese nicht als funktionierendes Geschäftsmodell anvisieren. Die Bereitschaft für eine App Geld zu bezahlen war in unserem Fall sehr gering. Spätestens wenn die Idee marktreif ist und man immer noch nicht ein geeignetes Modell gefunden hat, sollte man aufwachen.

Learning 4: Die Finanzierung

Ein Stipendium ist wunderbar, doch geht auch dieses irgendwann zu Ende. Eine Anschlussfinanzierung dauert in der Regel mindestens 6 Monate. Auch Gründer können nicht nur von Luft und Liebe allein leben. VC (Risikokapital) macht nur Sinn, wenn man bereit ist etwas von seinem Kuchen abzugeben. Die Option einen oder mehrere Business Angels (ein erfahrener Unternehmer, der angehende Gründer mit finanziellen Mitteln und Praxiserfahrungen unterstützt) in das Team zu holen, ist nur von Vorteil, wenn diese das Team durch nötige Kompetenzen unterstützen können.

Learning 5: Wir machen das neue Zalando. Kennen sie Doodle?

Viele Gründer vergleichen sich gerne mit großen Marken oder erfolgreiche Start-ups. Warum vergleichen, wenn man doch innovativ und neu ist? Nein, es kennt nicht jeder Doodle! Es gibt Menschen da draußen, die nicht ständig online sind. Menschen, die nicht bei Facebook registriert und auch nicht alle 10 Minuten per Push-Nachricht die neusten Informationen auf ihr Smartphone bekommen.

Learning 6: Work hard – play hard.

In Berlin kann man eigentlich den ganzen Tag auf Events verbringen. Frühstücks-Meetup, Mittagstalk, Meetup am Abend mit Pizza und Bier oder aber ein Hackathon am Wochenende. Viele unwichtige Personen treiben sich auf diesen einschlägigen Events rum und stehlen einem oft die kostbare Zeit. Nicht jedes Event macht Sinn.

Learning 7: Startups und die Rechtslage

Wer vertraut schon gerne einem jungen Unternehmen mit rechtlichen Grauzonen statt einer etablieren Beratungsagentur, gerade wenn es um sensible Daten geht? Unsere erfolgreiche Implementierung einer komplexen Mitarbeiterumfrage für TUI.com lief zwar sehr gut, aber leider war das Thema Datenschutz und das Vertrauen in Onlinetools 2013 schwierig. Viele Start-ups operieren ungewollt in juristischen Grauzonen, verursacht durch die Neuartigkeit des Angebots, das es häufig in der Form noch nicht gibt. Rechtliche Rahmen müssen oft erst gefunden und angepasst werden. Etablierte Unternehmen sollten Start-ups eine Chance geben mit ihnen zusammen Dinge zu entwickeln.

Learning 8: Die App-Store Einreichung

Eines der größten Probleme, mit denen wir zu kämpfen hatten, war die Einreichung unserer App in den unterschiedlichen App-Stores. Nach ca. 4 Stunden nach der Einreichung stand unsere App im Google Play Store zum Download bereit. Für iOS hingegen war der Prozess komplizierter. Wir reichten unsere App im iTunes Store ein und muss auf die Prüfung von Apple warten. Wir bekamen nach ca. 20 Tagen einen Anruf aus Amerika, wo wir ganze 30 Minuten am Telefon Rechenschaft zu votingLAB ablegen mussten. Eine Katastrophe, da wir in dieser Wartezeit keine Marketingmaßnahmen planen konnten. Hinzu kamen die monatlichen Updates mit Produktverbesserungen, die jedes Mal von neuem von Apple überprüft wurden. Die Wartezeit lag im Durchschnitt zwischen 7 und 14 Tagen. Die Review-Zeit hingegen bei nur wenigen Stunden. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Learning 9: Marketing

votingLAB war von Anfang an Produkt- und Funktionsgetrieben, wir wollten die perfekte App veröffentlichen. Marketingmaßnahmen haben wir nebenbei betrieben. Die Folge: Ein bisschen Facebook und Twitter reichen einfach nicht aus und können keinen professionellen Vertriebs- oder Marketingmenschen ersetzen. Marketing und Analyse muss von Anfang an Vollzeit betrieben werden. Nebenbei mögliche Marketing oder Vertriebsstrategien zu entwickeln ist nahezu unmöglich. Selbst das beste Produkt verkauft sich nicht von selbst. Das Vertrauen der Zielgruppe zu gewinnen, bedeutet viel Zeit und Arbeit.

Learning 10: App-Entwicklung und Geld verdienen

Der App Markt ist vollkommen übersättigt und unübersichtlich. Unzählige gute Apps tummeln sich in den App Stores und warten auf einen Download. Leider gibt es nur sehr wenige Erfolgsgeschichten, die bewiesen haben, dass man mit einer App Geld verdienen kann. Bei uns blieb der große Download Erfolg nach der Markteinführung aus. Namen wie Instagram, Snapchat, Tinder, WhatsApp kennt jeder, diese sind wachstumsorientiert und laufen klassisch sehr lange ohne Umsätze und Gewinn. Oft haben diese Unternehmen kein klares Geschäftsmodell und fangen mit den Gedanken über die Monetarisierung der Apps erst an, wenn eine bestimmte Verbreitung bereits erreicht wurde und diese sind absolute Ausnahme Unternehmen. Unsere Erfahrung der letzten zwei Jahre: Es herrscht eine App-Müdigkeit. Die Realität sieht anders aus! Schaut man sich sein persönliches Nutzungsverhalten an, wird man schnell feststellen, dass man selber nur wenige Apps täglich nutzt. Hinzu kommen enorme Barrieren für Anbieter, die Apps für die unterschiedlichen Geräte (Android, Windows, Blackberry, Apple) anzupassen und in den unterschiedlichen App-Stores einzureichen und zu pflegen. Und zu guter Letzt der Nutzer, der den kleinsten Bug nicht verzeiht und die App sofort von seinem Smartphone löscht und nie wieder installiert.

Niemand hängt einen Misserfolg gerne an die große Glocke.
Scheitern kann aber auch gute Grundlage für den zukünftigen Erfolg sein.
Meine Erfahrungswerte der letzten Jahre sind eindeutig wertvoller als so manches Masterstudium.
Meine Entscheidung zu Gründen habe ich keinen einzigen Tag bereut.
Viele Entscheidungen würde ich heute anders treffen, aber gründen würde ich immer wieder.

Franzi Detail

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