Mammutmarsch 2016: 100 km in 24 Stunden. Zu Fuß

Alles begann mit diesen Zeilen …

Am 14. Mai 2016 findet in Berlin der fünfte Mammutmarsch statt. 100 Kilometer müssen in weniger als 24 Stunden zu Fuß zurückgelegt werden. Der Körper stößt an seine Grenzen, aber der Marsch ist für jede normal sportliche Person machbar. Der wahre Kampf findet im Kopf statt. Und selbst 30 Kilometer sind eine respektable Leistung, die die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben nicht schaffen.
Quelle:
http://www.mammutmarsch.de

Das hörte sich für uns nach einem großartigen Abenteuer an. Diesem vermutlich erlebnisreichen Event konnten wir uns nicht verweigern und entschlossen uns bereits im Frühherbst 2015 dem Ruf des Mammuts zu folgen. Sofort fanden sich Sportbegeisterte in unserem Freundeskreis, die sich diesem Vorhaben anschließen wollten.

Die Vorbereitung

Zuvor waren wir noch keine größere Strecke ab 20 km+ am Stück gewandert, aber es war in der Vorstellung sehr interessant einen solchen Weg einfach einmal anzutreten. Wir dachten‚ es ist ja nur Wandern, langsames Laufen oder schnelleres Gehen! Das kann ja nicht so schwer sein. Am 15. September stand das erste gemeinsame Training der Neugegründeten Trainingswandergruppe an.

Der Bericht zum ersten Training: Hier klicken

Nach über fünf Stunden und zurückgelegten 24 km konnten wir unsere erste Meinung zu dem zukünftigen Vorhaben bilden. Das erste Mal hatten wir einen Eindruck welche Aufgaben uns bei dem Mammutmarsch erwarten werden. Schon nach 24 km schmerzten die Füße und die Beinmuskulatur. Der ein oder andere hatte Blasen an den Füßen zu beklagen. Der in Hinblick auf den Mammutmarsch relativ kurze Wandereinsatz raubte uns insgesamt viele Kräfte und hatte unsere Körper doch sichtlich in Mitleidenschaft gezogen. Ab diesem Zeitpunkt hatten wir sehr großen Respekt vor den angestrebten 100 km. Es sollten weitere Trainings folgen, denn Übung macht bekanntlich den Meister.Die größte Trainingsdistanz, die wir in unserer Trainingsgruppe zurücklegten, zählte 35 abgespulte Kilometer. Leider schafften wir keine darüber hinausgehende Weglänge, da für solche Trainingsmärsche viel Zeit nötig ist. Wenn man berufstätig ist, bleiben dann auch nur die Wochenenden, welche rar übers Jahr gesät sind, zum Trainieren übrig. Aber gut, viele Teilnehmer werden eine ähnliche Ausgangslage haben. Ein kurzer zweimonatiger Asienaufenthalt, um den kalten Winter in Berlin zu überbrücken, machte uns Trainings-technisch einen weiteren Strich durch die Kilometerrechnung. Insgesamt knackten wir dreimal die 30 km Grenze. Dabei kamen wir mal schleichend und schmerzverzerrt ins Ziel, ein anderes Mal erreichten wir das Ziel glücklich, zufrieden und aufrecht gehend. Zwischenzeitlich kam immer wieder die Frage auf: „Warum machen wir das überhaupt?“ 100 km fährt man mit dem Auto oder mit dem Zug aber geht sie nicht zu Fuß. Und wer kam bitte schön auf diese seltsame Idee? Wir wissen es nicht. Und werden es auch nicht mehr erfahren. Nein, die Sehnsucht nach Abenteuer und die Möglichkeit seine Grenzen zu testen, das war der verlockende Ruf.
Aufgrund der Erfahrung der letzten Monate setzten wir uns die 50 km als persönliches Ziel am Tag des großen Marsches. Alles andere empfanden wir für uns als nahezu unmöglich und eine Überschätzung unserer körperlichen Kräfte.

Die letzten Tage vor den Mammutmarsch

Mittlerweile war das Wettkampfschuhwerk so einige Mal gewechselt worden. Beim letzten Trainingslauf versagte das Schuhwerk und die schnelle Suche nach einem geeigneten „Wanderschuh“ stand als schwierigkeitsgraderhöhende Zusatzaufgabe auf unserem Vorbereitungsplan. Wir gaben je ein Paar Salomon XA Pro 3D nach ca. 60 km und dem Versuch sie einzulaufen wieder zurück. Der Schuh drückte und machte das Antreten mit ihnen beim Mammutmarsch unmöglich. Schnell musste neues Schuhwerk her. „Die Qual der Wahl“- besser konnte man die Schuh-Situation nicht beschreiben. Die Aufgabe „Wanderschuh“ wurde zufriedenstellend gelöst. Wir hielten den Salomon X-ULTRA für unsere Zwecke als geeignet. Zwar hatten wir nur wenig Gelegenheit die neuen Schuhe einzulaufen, aber letztendlich schenkten wir ihm unser Vertrauen.

Den Tag vor einem solchen Wettkampf sollte man bekanntlich nutzen, um dem Körper noch einmal die bestmöglichen Nähstoffe zuzuführen und ihm erholsamen Schlaf zu gönnen. Das letzte Abendmahl vor dem großen Marsch stand an. Wir dachten uns es wäre eine gute Idee unserem Körper eine ausgewogene und würzige Mahlzeit zu gönnen. Eine ungewöhnlich scharfe thailändische Spezialität stand auf dem abendlichen Speiseplan und brachte unseren Kreislauf in Wallung. Das Essen war so scharf, dass man es kaum genießen konnte. Als der Schwindel einsetzte, wurde uns so langsam bewusst, dass die Idee möglicherweise doch nicht so gut war, wie anfangs gedacht. Die Quittung für diese leichtsinnige Essenswahl bekamen wir mit nächtlichem Durchfall auf der Toilettenschüssel präsentiert. Die Entscheidung als letzte Speise vor dem Wettkampf ein feuriges Thai Gericht einzunehmen, kam der Idee gleich einen Trainingslauf barfuß über Scherben oder glühenden Kohlen zu absolvieren. Getreu dem Motto: was uns nicht umbringt, macht uns stark. Das war aber der falsche Weg, wie wir jetzt wissen. Eine bekömmliche Speise, die die Kohlenhydrat Speicher auffüllt und nicht künstlich entleert, wäre durchaus sinnvoller gewesen.

Der große Tag war gekommen

Am 14. Mai war es dann soweit und der Mammutmarsch konnte beginnen. Angekommen am Sportzentrum Erkner ging es nach einer kurzen und schmerzlosen Anmeldung auch gleich los. Wir traten als Team, bestehend aus drei wanderlustigen Mädels, in der zweiten Startgruppe um 16 Uhr Ortszeit an.

Zuvor entschieden wir uns unsere Pausen und Verpflegungsübergaben selber zu koordinieren, da die erste Übergabe mit den selbst gepackten Verpflegungsbeutel im Rahmen des Gepäcktransportes des Veranstalters erst bei 44 km veranschlagt war. Das war uns zu weit. Wir benötigten schon vorher unseren Verpflegungsnachschub, um die verbrauchte Energie wieder aufzufüllen.Unsere Pauseneinteilung lag bei 15 km – 30 km – 40 km – 44 km (Streckenposten 2) – 50 km – 59 km (Streckenposten 3) Die Koordination der übrigen Pausen ließen wir erst einmal offen.Los ging es! Die ersten Kilometer machten großen Spaß. Wir waren super motiviert und das Wetter spielte auch mit. Obwohl wir wussten, was uns in einigen Kilometern erwarten würde, dachten wir nicht an die bevorstehenden Qualen und versuchten frohen Mutes Schritt vor Schritt zu setzen.

In der ersten Pause bei Kilometer 15 hatte das erste Teammitglied leider schon mit den ersten Blasen am Fuß zu kämpfen. Dank der mitgeführten Blasenpflaster alles kein Problem, da diese unerwünschten Blessuren damit richtig versorgt und so wunderbar der Lauf fortgesetzt werden konnte. Ab Kilometer 16 erreichten wir dann den ersten offiziellen Versorgungsposten vom Veranstalter. Es gab kaltes Wasser, Milchbrötchen, Salzstangen, Bananen und Müsliriegel als kleinen Snack, um die Reserven wieder aufzutanken. Wir füllten unsere Wasserflaschen auf, griffen uns die dort angebotenen Snacks und setzten den Marsch in Richtung Kilometer 30 fort.

Bei Kilometer 30 angekommen, gab es von unserem treuen Begleiter Ryco, der mit dem Auto zu den ausgemachten Pausenpunkten kam, einen heißen Kaffee zum Aufwärmen. Frische Socken plus weitere Blasenpflaster für die Füße gönnten wir uns zur Linderung der Schmerzen. Nach kurzer Stärkung und Lockerung der Muskulatur ging es weiter. Das nächste Etappen Ziel, die 40 Kilometer, ganz fest im Wesir. Mittlerweile hatte die Nacht mit ihrem treuen Begleiter der Dunkelheit den Tag abgelöst. Es wurde Zeit für unsere Stirnlampen, denn ohne diese wäre die Wanderung über die dunkeln Feld- und Waldpfade nicht möglich gewesen. Auch durch Dörfer und schmale Gassen ging es beim nächsten Streckenabschnitt. Wir durchquerten einen sandigen Feldweg. Der aufgewirbelte Staub der Vorderleute erschwerte das Weiterlaufen. Die einsetzenden Schmerzen an Fuß, Rücken und Oberschenkeln rückten sich langsam aber sicher in den Vordergrund. Es fiel uns schwer nicht an die körperlichen Leiden zu denken. Man musste zudem aufpassen, dass man aus Unachtsamkeit nicht mit den Füßen umknickte. Es war ein Drahtseilakt sich auf das Laufen zu konzentrieren aber wiederum nicht ans Laufen zu denken. Kilometer für Kilometer spulten wir ab. Die nächste Pause war in Sicht. Das Auto stand am vereinbarten Treffpunkt bei Kilometer 40 bereit. Auf einer Decke nahmen wir am Straßenrand Platz und streckten die Füße in die Höhe. Wie die Käfer lagen wir auf dem Rücken. Die Schmerzen waren das erste Mal fast unerträglich und auch die Kälte machte uns sehr zu schaffen. Wir wussten, wir müssten noch ein wenige durchhalten. Ein wenig mehr. Der zweite von vier Streckenposten war aber nicht mehr weit entfernt. Unser gemeinsamer Wille war stark. Weiter!

Der erste große Streckenposten: 44 km

Nach 44 km kamen wir mehr oder weniger an die körperlichen Grenzen. Am zweiten Streckenposten musste unser Team eine Entscheidung fällen. Aufgeben und die Urkunde mit den dokumentierten 44 absolvierten Kilometern entgegennehmen oder sich bis 59 km zum nächsten Ausstiegspunkt schleppen? Jetzt auszusteigen wäre keine Schande gewesen. Hunderte andere Wanderer täten uns dies gleich, denn die Haltestelle für den Busshuttle zum nächsten Bahnhof war bereits überfüllt. Oder eben doch einfach weiter laufen? Der dritte Versorgungspunkt lag bei 59 km, diese müssten wir auch erst einmal erreichen. Wir liefen weiter.

Die folgenden acht Kilometer waren eine Qual. Unsere Schritte wurden immer kleiner und langsamer. Die Kälte bohrte sich in unsere Gelenke. Keine Bewegung war jetzt mehr schmerzfrei. Wir benötigten für das Zurücklegen dieser Distanz fast zwei Stunden. Hinzu kam, dass wir unterwegs über Facebook erfuhren, dass der Mammutmarsch angeblich abgebrochen sei. Was? Wieso? Warum?

Das offizielle Statement des Veranstalters auf Facebook:

„Es tut uns sehr leid euch mitteilen zu müssen, dass wir den Mammutmarsch letzte Nacht aus Sicherheitsgründen abbrechen mussten. Am Posten in Bruchmühle sind mehrere Teilnehmer wegen Kreislaufproblemen behandelt worden und es kam zu mehreren Rettungseinsätzen und einer dadurch ausgelösten Zusammenziehung der Rettungskräfte der Region. Als unser Sanitätsdienst in Rehfelde dann nicht erschienen ist, haben wir beschlossen zur Sicherheit aller Teilnehmer den Mammutmarsch abzubrechen. Es tut uns unglaublich leid, aber wir hoffen, dass wir die verantwortungsvollste und sicherste Entscheidung für unsere Teilnehmer getroffen haben.“

Ein glücklicher und zufriedener Abbruch

Nach 52 km zu Fuß und der Einstellung unserer persönlichen Bestleistung sammelte uns Ryco mit dem Auto in der Nähe vom Bahnhof Straußberg ein. Wir beschlossen zum naheliegenden dritten Streckenposten zu fahren und uns die Urkunde als kleine Erinnerung abzuholen. Dort angekommen informierte man uns über den Abbruch der Veranstaltung. Oh je!

Sehr schade für die Teilnehmer, die sich Monate lang auf diesen Tag vorbereitet hatten. Sie standen nun vor der Entscheidung: Abbruch oder auf eigene Gefahr weiter laufen. Zu viele Teilnehmer mussten ärztlich versorgt werden, es gab nicht ausreichend Rettungskräfte.
Für uns haben wir den Lauf im Team erfolgreich abgeschlossen und wir sind stolz auf unsere Leistung und das Körpergefühl, das zuvor richtig eingeschätzt wurde.
Im Vorfeld haben wir einige Trainingsmärsche bestritten und spätestens nach dem zweiten Trainingsmarsch war klar, dass man die 100 Kilometer nicht so einfach aus dem Hut schütteln kann. Eventuell hätten wir aus eigener Kraft den dritten Streckenposten noch erreicht aber die Signale des Körpers mit Schwindel und Schlechtsein wollten wir nicht einfach überhören.

Wir hatten das große Glück, dass Ryco uns die ganze Zeit parallel mit dem Auto folgte und uns super versorgte. Zwar hatten wir aus Unwissenheit den Gepäcktransport zuvor gebucht aber durch die Erfahrungen im Training entschieden, dass uns die offiziellen Verpflegungsbeutelübergabepunkte bei 44, 59 und 75 km eindeutig zu weit voneinander entfernt waren und wir schon vorher und zwischendurch unsere persönlichen Sachen und Essen Pakete benötigen.

Man benötigt viel Zeit und Willensstärke, die man nicht von heut auf morgen trainiert. Jedenfalls war uns dies nicht in die Wiege gelegt. Unsportlichkeit kann man uns auch nicht zu unseren Lasten legen. Wir sind zwar keine Marathonläufer aber Trainingseinheiten im Fitnessstudio liegen auf unserem regelmäßigen Sportplan. Das Fahrrad wird täglich genutzt und trägt uns bei Wind und Wetter zu allen Zielen dieser Stadt. Aber wir haben uns die 100 km nicht zugetraut. Vielleicht lag uns die Gesundheit mehr am Herzen als das Austesten über seine Grenzen hinauszugehen. Wir ziehen den Hut vor all die Wanderer, die die 100 km schafften, eine großartige Leistung. Die Entscheidung den Lauf abzubrechen war aus der Sicht des Veranstalters völlig richtig.

Der Tag danach

Kurz war die Nacht oder der Morgen danach. Gegen sechs Uhr morgens erreichten wir unsere heimischen Quartiere. So richtig schlafen konnten wir nicht, der Adrenalinspiegel war noch einfach zu hoch. Wir beschlossen gegen Mittag den Schlafversuch abzubrechen. Es wartete ein weiteres Abenteuer auf uns. Der Karneval der Kulturen in Berlin. Bevor wir mit den Fahrrädern zum Straßenfest fuhren, gönnten wir uns eine sehr schmackhafte Pizza. Unsere Körper waren noch ganz gierig auf nahrhaftes Essen. In wenigen Minuten verschlungen wir die runde italienische Teigscheibe. Auf dem Festgeländer trafen wir uns mit Freunden und ließen den Abend heiter ausklingen. Sogar einige Kilometer zu Fuß absolvierten wir bei diesen Feierlichkeiten. Muskelkater oder sonstige Beschwerden hatten wir nicht. Die Beine funktionierten wieder ganz gut und die Schritte waren unbeschwert. Vielleicht waren wir ja doch noch nicht an die hintersten Grenzen unseres Körpers gelangt? Oder hatten wir einfach nur rechtzeitig die richtige Entscheidung getroffen?

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